Donnerstag, 28. Januar 2010

Citavi, CSV und die Antiquare in der Waldorfschule


http://www.boersenblatt.net/355561/template/b4_tpl_antiquariat/#comments

Vorsicht: Dieser Beitrag wurde inzwischen - Mitte 2011 - schon weitgehend von der Entwicklung überholt

Citavi gehört zu meinen eher ernüchternden Erfahrungen. Vor Jahren hatte ich es als
Eingabehilfe für automatisierte Datensatzermittlung meiner alten Bücher (allesamt vor der Buchnummernzeit) erprobt, zugleich wollte ich es für meine These bei der Erstellung der Literaturliste nutzen.

Alle Anleitungen zur wissenschaftlichen Arbeit sind seit einem Jahrzehnt des Lobes voll über Citavi, und so war ich doch erstaunt über meine Enttäuschung, als ich die ersten Schritte damit unternahm. Das Resultat kann ich sehr kurz zusammenfassen: Citavi ist kompliziert, es bietet zuviele Varianten, es ist zu ausgefeilt, zu differenziert, die Einarbeitung dauert zu lang, die Abstimmung mit den Bücherdatenbanken, aus denen es seine Quellen ja schöpft, ist zu holperig.

Nun kann Citavi nicht besser sein als seine Ressourcen. Die Misere, ja: die Tragödie der nicht oder doch unvollkommen standardisierten, nicht ausreichend normierten öffentlichen deutschen Bücherdatenbanken wirkt sich hier aus.

Freilich kann ich mit Citavi so etwas wie die "Rohdaten" eines Buchs bekommen, sofern es im GBV oder dem SWB verzeichnet ist. Aber schon die Angabe der Seitenzahlen ist mitunter recht kniffelig, von Serientiteln und Abbildungen usw. zu schweigen. Bei der Citavi-Benutzung fehlt mir besonders jene Listenübersicht über andere Auflagen und Ausgaben, die uns die öffentlichen Bücherdatenbanken im Verlauf der Abfrage so übersichtlich bieten.

Ich habe mich diesen Herbst in monatelanger Arbeit durch die öffentlichen Bücherdatenbanken gekämpft und möchte Ihnen aus praktischer Erfahrung folgendes Abfragesystem vorschlagen, mit dem Sie, so meine ich, bessere Titelaufnahmen aus dem Internet bekommen. Schließlich bringe ich Ihnen dann noch ein Verfahren nahe, mit dem Sie die - von unseren Verkaufsportalen leider - ich sage noch - geforderten - "strukturierten Titelaufnahmen" einfach herstellen können.

Die Materie ist trocken, ich bitte um Nachsicht.


1.
Zwei Begriffe sollten Sie sich bitte merken, ohne daß wir uns länger mit ihrer (recht komplizierten) Natur befassen müssen:

*ISBD und *CSV

Sie sind sicher schon den verschiedensten Arten der Darstellung von Datensätzen in Bücherdatenbanken begegnet. Das kann so aussehen:

Titel:
Der Mythus des 20. Jahrhunderts : eine Wertung der seelisch-geistigen Gestaltenkämpfe unserer Zeit / von Alfred Rosenberg
Verfasser:
Rosenberg, Alfred
Ausgabe:
79. - 82. Aufl.
Erschienen:
München : Hoheneichen-Verl, 1935
Umfang:
712 S. : Ill.

oder auch so (übrigens die Citavi-Grundform):

TY - BOOK
ID - 245010610
T1 - Der Mythus des 20. Jahrhunderts : eine Wertung der seelisch-geistigen
Gestaltenkämpfe unserer Zeit
A1 - Rosenberg, Alfred
CY - München
PB - Hoheneichen-Verl
PY - 1935
AV - Die Ostfries. Bibl. Aurich/Emden
H1 - Die Ostfries. Bibl. Aurich/Emden
H2 - !Em!15.43.50.232 G
U1 - 712 S
S1 - Gemeinsamer Bibliotheksverbund (GBV) / Verbundzentrale des GBV (VZG)
S2 - GVK - Gemeinsamer Verbundkatalog
S3 - GBV:GVK
L3 - http://gso.gbv.de/DB=2.1/PPNSET?PPN=245010610
ER -

und dann gibt es noch 6 verbreitete und ein Dutzend seltenere Darstellungsweisen.

Wir kümmern uns nur um ISBD. Das ist, sehr verkürzt gesagt, die fortlaufende "Bandwurmform" der Titeldarstellung, man könnte auch sagen "so wie Otto Normalverbraucher eine Titelaufnahme hinschreiben würde".

Sie sieht in unserem Fall so aus:

Rosenberg, Alfred:
Der Mythus des 20. Jahrhunderts : eine Wertung der seelisch-geistigen
Gestaltenkämpfe unserer Zeit / von Alfred Rosenberg. - 79. - 82. Aufl. -
München : Hoheneichen-Verl, 1935. - 712 S. : Ill.

Bis hierhin kommen die meisten Kollegen problemlos. Es ist aber für das EDV-Wesen ganz typisch, daß nun fast alle Nutzer an einer geradezu lächerlichen Hürde hängenbleiben und entnervt aufgeben:

In der Regel wird der ISBD-Datensatz mit dem Bestätigungs-Häkchen "automatischer Zeilenumbruch" geliefert. Dann steckt eine Art Absatz-Formatierung darin, die eine Weiterverwertung für unsere Zwecke verhindert. Deaktivieren Sie dieses Häkchen, dann bekommen Sie den richtigen "Bandwurm":

Rosenberg, Alfred:
Der Mythus des 20. Jahrhunderts : eine Wertung der seelisch-geistigen Gestaltenkämpfe unserer Zeit / von Alfred Rosenberg. - 79. - 82. Aufl. - München : Hoheneichen-Verl, 1935. - 712 S. : Ill.

Wie wir ihn weiterverarbeiten, sehen wir gleich. Vorher fragen wir uns: Welche der öffentlichen großen Bücherdatenbanken können uns denn ISBD-Bandwürmer liefern?

Am wichtigsten ist der GVK, den Sie auch unter der Bezeichnung GBV finden. Er weist über 60 Millionen Titel aus Nord- und mitteldeutschen Bibliotheken nach (keineswegs aus allen, aber immerhin).

Auch der nächste Katalog hat, sehr oberflächlich betrachtet (tatsächlich ist alles viel komplizierter) zwei Bezeichnungen, nämlich SWB oder auch BSZ. Was Sie im GVK nicht finden, das können Sie oft im SWB ermitteln, der sich aus dem südwestdeutschen Raum speist. Auch beim SWB müssen Sie stets an das Deaktivieren des Kästchens denken!

Die anderen Bücherportale, etwa das Hessische (das Citavi seltsamerweise mitbenutzt), können Sie in der Regel "vergessen", zumal die wunderschönen Alt-Bestände der Frankfurter UB immer noch nur per fotografiertem Zettelkasten nachweisbar sind - Schande über Schande... Bayern, an sich für Altbestände eine sehr wertvolle Quelle, entfällt für unsere Zwecke - beim bloßen Erwähnen der (späten und abweichenden) Bayerischen Bücherverzeichnung bekomme ich Schreikrämpfe.

Ist aber nicht so schlimm, denn mit GVK und SWB können Sie in der Regel alle älteren Titel als ISBD bekommen. Finden Sie einen Titel dort nicht, ist ohnehin längere Recherche angesagt, dann dürfte es sich nämlich um eine größere Zimelie handeln, die jeden Zeitaufwand lohnt.

Nun das Schritt-für-Schritt-Modell, das Sie sich ausdrucken können:

1) GVK und SWB als feste Registerkarten ("Tabs") in Firefox einrichten. Dazu weitere nützliche Tabs: ZVAB und KVK sowie Google (für Bucherläuterungen) und Bookfinder (um Preise in kniffligeren Fällen zu finden). Sie legen das ganz einfach fest als Lesezeichen.

2) Den Titel zunächst im GVK suchen, dort wie auch im SWB stets die breite universelle Suchleiste nutzen. Möglichst nur seltene Worte eingeben, gut: Orchideen; Hexenverbrennung; Grundbuchrecht, Frantisek Hotzenplotz / schlecht: Blumen, Recht, Peter Müller.

3) Die daraufhin angebotene Titelliste rasch durchsehen, ggf. eingrenzen durch engere Abfrage. Diese Listendurchsicht ist sehr nützlich, man lernt dabei viel über Häufigkeit des Buchs usw. Dann den Titel anklicken.

4) Im GVK "Speichern/ Drucken" anklicken, rechts oben/ im neuen Tab dann Häkchen entfernen, auf "Druckansicht" klicken - und wie von Geisterhand haben wir den fertigen Bandwurm. // Im SWB geht es etwas anders: ISBD erscheint als Registerkarte links oben, anklicken / in der neuen Seite auf "Speichern/Druckansicht" klicken, dann unter "Format" "ISBD" hervorholen, das Häkchen entfernen und auf dem Bildschirm erscheint unser Bandwurmsatz.

Titel für Titel füllen wir dergestalt unsere WordPad-Seite.

Nun stehen zwei kleine Fleißarbeiten an, die man bei schöner Beethovenmusik erledigen kann:

In unserer Bandwurmtitelliste müssen die Verfasser an die übrige Titelei heran- bzw. richtiger eingezogen werden (sonst lassen sich die nachfolgenden Schritte nicht durchführen). Aus


Rosenberg, Alfred:
Der Mythus des 20. Jahrhunderts : eine Wertung der seelisch-geistigen Gestaltenkämpfe unserer Zeit / von Alfred Rosenberg. - 79. - 82. Aufl. - München : Hoheneichen-Verl, 1935. - 712 S. : Ill.

Rosenberg, Alfred:
Der Mythus des 20. Jahrhunderts : eine Wertung der seelisch-geistigen Gestaltenkämpfe unserer Zeit / von Alfred Rosenberg. - 79. - 82. Aufl. - München : Hoheneichen-Verl, 1935. - 712 S. : Ill.

wird also

Rosenberg, Alfred: Der Mythus des 20. Jahrhunderts : eine Wertung der seelisch-geistigen Gestaltenkämpfe unserer Zeit / von Alfred Rosenberg. - 79. - 82. Aufl. - München : Hoheneichen-Verl, 1935. - 712 S. : Ill.

Rosenberg, Alfred: Der Mythus des 20. Jahrhunderts : eine Wertung der seelisch-geistigen Gestaltenkämpfe unserer Zeit / von Alfred Rosenberg. - 79. - 82. Aufl. - München : Hoheneichen-Verl, 1935. - 712 S. : Ill.

Nach getaner Arbeit, das geht ja alles wirklich blitzschnell, muß unsere Liste in CSV umgewandelt werden. Lesen Sie dazu bitte den - sehr guten - CSV-Artikel in Wiki
. Sie können aber auch nur - ganz stur - den folgenden Regeln folgen.

Vorrede: Ich halte eine Aufteilung der Bücherdatensätze in "Verfasser - Titel usw. - Ort usw. - Stichworte - Preis" für völlig ausreichend. Trennen Sie Ihre Bandwurm-Datensätze entsprechend mit Sternchen (Sternchen erkennt man besser als andere CSV-Zeichen):

Rosenberg, Alfred* Der Mythus des 20. Jahrhunderts : eine Wertung der seelisch-geistigen Gestaltenkämpfe unserer Zeit / von Alfred Rosenberg. - 79. - 82. Aufl. - *München : Hoheneichen-Verl, 1935. - 712 S. : Ill.Ln. frisch*15* NS-Zeit

Rosenberg, Alfred* Der Mythus des 20. Jahrhunderts : eine Wertung der seelisch-geistigen Gestaltenkämpfe unserer Zeit / von Alfred Rosenberg. - 79. - 82. Aufl. - *München : Hoheneichen-Verl, 1935. - 712 S. : Ill.Ln., etwas benutzt, aber intakt*12* NS-Zeit

Sie sehen, wir haben Einbandart, Zustand und Preis gleich hinzugefügt.

Diese Tabelle speichern Sie nun als txt-Datei ab und rufen Sie zur Weiterbearbeitung aus Office-Calc auf - Sie haben nämlich schon die CSV-Datei, wissen es nur noch nicht.

Die weiteren Schritte bis zur versandfertigen ZVAB- usw.-Datei erkläre ich gern in einem zweiten kleinen Tutorial.

Eine Anmerkung sei mir gestattet: Wenn wir endlich zu unstrukturierten Titelaufnahmen kommen, dann entfällt auch die Sternchensetzung und der ganze CSV-Kokelores. Nach meiner Einschätzung wäre das heute gut machbar .

Aber auch so geht es - was hier kompliziert aussieht, läßt sich tatsächlich in 1-2 Minuten je Datensatz erledigen, ebensoschnell wie mit Citavi, aber souveränder, mit mehr Lerneffekt, mit besserer Angabe der Auflagen und Ausgaben, besserer Einschätzung der Seltenheit - und vor allem ist der Antiquar Herr seiner Arbeit.

Roman Heuberger hat sicher Recht, wenn er heute Nacht im Börsenblatt feststellt, Antiquare würden zunehmend zu EDV-Fachleuten. Ich bin keiner, und trotzdem macht mir diese Methode der Titelerfassung ausgesprochen Spaß; nach einigen Tagen beherrscht man sie im Traum. Hat irgendwas von Häkeln oder Stricken... Antiquare in die Waldorfschule!



Nachtrag:
Aktivieren Sie unbedingt in Firefox das Zusatzprogrämmchen Auto Copy 1.0. Das ist auch sonst sehr nützlich - Sie ersparen sich die Maustastenkommandos copy and paste. - Mit der richtigen Technik, wie oben beschrieben, schaffen Sie auch komplizierteste alte Titelaufnahmen in "unter 1 Minute", und das, mit wenigen Ausnahmen, formal gesehen in hoher Qualität. Nur einsame Helden tippen ihre älteren Titel noch selber. Cui bono?


Wir danken dem Deutschlandfunk für die Verwendungsmöglichkeit des Fotos. Wird auf einfache Anforderung hin entfernt.