Samstag, 2. Februar 2013

Ein gemeinsames Portal für Antiquare und ihre Kunden





Die deutschen Antiquare machen sich Gedanken über ihre Handbibliothek - brav, brav.

http://www.boersenblatt.net/592952/template/bb_tpl_antiquariat/

Ich fürchte nur, daß dabei nicht besonders viel herauskommen wird.

Die Frage hängt ja doch in Wahrheit eng zusammen mit Sinn und Unsinn der gegenwärtigen Titelerfassung und Buchbeschreibung. Bei näherem Hinsehen ist beides angesichts der heutigen Möglichkeiten im Internet einfallslos umgesetzt. Die Interessen der  K u n d e n  werden von den Antiquaren hier - wie sonst auch nur allzuoft - nicht berücksichtigt. Kennen die Antiquare eigentlich ihre Kunden?

Unsere werte Genossenschaft, seit zehn Jahren Hort des Kleinmuts und der zu spät gekommenen Einsichten,

http://www.giaq.de/

exerziert zusammen mit dem Verband der deutschen Antiquare, der leicht arroganten Hochburg des Edelantiquariats

http://www.antiquare.de/

jene erzkonservative Antiquariatskultur, die endlich einmal kritisch überdacht werden muß.

Immer noch steht die mechanische  T i t e l a u f n a h m e  im Vordergrund, werden die Nutzungsmöglichkeiten des Internets nicht gekannt, nicht eingesetzt.

Dahinter verbergen sich wahre Tragödien.

Die bisher erschienene Sammelkataloge der Genossenschaft sind abschreckende, geradezu traumatisierende Dokumente aus Sicht des Kunden, der doch längst vom Netz her modernste Bild- und Textinformation gewohnt ist. Sie sind aber zugleich, vergessen wir das nicht, das Ergebnis vieler Stunden ernsthafter Kollegenarbeit, die in den Sand gesetzt wurden. Anstatt visueller Darstellung in langen Bilderfolgen, die uns das wertvolle Buch lebendig  v o r s t e l l e n, wird jener verlogene Affentanz aufgeführt, der voraussetzt, daß der Kunde jenes Sachwissen hat, jene Umgangsfertigkeit mit schriftlichen Titelbeschreibungen, die der Antiquar seinerseits zu besitzen - - vorgibt.

Beide Teile lügen sich an, unter Federführung der Funktionäre unseres Berufs.

Von unten her, wenn ich bei der Berufspyramide bleiben darf, räkelt sich ein ganz anderes Monster im See - weit über die Hälfte aller Kollegen hängt am Tropf der "automatisierten Titeleingabe" des Hauses w+h

http://www.whsoft.de/

Welche gefährliche Rolle w+h nach meiner persönlichen Einschätzung im Antiquariat spielt, ist aus meinen alten Blogs ja wohl bekannt

Das gilt auch für die absolut nicht innovative Art der Titelaufnahme, die dort festgeschrieben, gewissermaßen für alle Zeiten zementiert wurde und wird.

Fazit: Von oben wie von unten her eine katastrophale Rückschrittlichkeit, ein Weiterwursteln nach alten Standards im wohl wichtigsten Bereich unseres Berufs, in der Buchbeschreibung.

So, wie wir im Netz heute

*eine ganz neue Art der Darstellung unserer alten Bücher

brauchen, muß auch unsere Zeit- und Arbeitstechnik im Antiquariat revidiert und neu berechnet und gewichtet werden. Die bisherigen Buchbeschreibungen, ob von unten (jene Millionen von Titeln im ZVAB oder in Abebooks) oder von oben (Edelkataloge und Zimelienlisten der gehobenen Kollegen) sind angesichts unserer heutigen Möglichkeiten, es anders und besser zu machen, schierer  U n f u g.

Was aber will der Kunde denn dann wirklich, was können wir Antiquare ihm anderes, besseres bieten?

Darüber will ich hier in den nächsten Wochen einiges schreiben. Ausgangspunkt ist

mein Arbeitspapier für ein neues Portal, das ich im - leider weiterhin zugangsbeschränkten - Forum

www.geizmonster.de

vorgestern so dargestellt hatte:

Offener Brief an eine unternehmungslustige Kollegin.

Ihre Idee, ein F o r u m für Antiquare einzurichten, ist nicht gut. Ich selber war ja lange Zeit auch auf dem Forums-Trip, wurde aber schon letztes Jahr in einem kurzen Dialog quer über die Tische mit Dr. Biester auf der Frankfurter Buchmesse von solchen Ideen geheilt. Niemand kennt die Antiquare besser als er, und er erklärte kategorisch, das sei mit den deutschen Antiquaren - aus verschiedenen Gründen - nie und nimmer zu bewerkstelligen.

Recht hat er. Es gibt mehrere Gründe, die ich so sehe: Die wirtschaftliche Lage vieler Kollegen ist so schlecht, daß sie jede freie Minute in Titelaufnahme und Versand malochen müssen und sich die Zeit zur Forumsschreiberei abknapsen müßten. Sie leiden wie die Hunde unter der geistlosen Arbeit, die Titelaufnahme nun einmal darstellt. Sie haben fast alle insgeheim andere Interessen und betrachten "Antiquariat" nicht als ihre Berufung, sondern als Fron, die ihnen auferlegt ist.

Für die Bücherkunden gilt das nicht. Ich sehe am Beispiel der Literaturforen, auch der kleinen, daß Büchersammler schreibfreudig sind. Das sehen wir ja in jedem Ladenantiquariat: Die Stammkunden reden stundenlang miteinander, während der zugehörige Antiquar recht zugeknöpft daneben sitzt.




Sie, die Kunden, haben das Bedürfnis, ihre großen und kleinen Nöte, die sie mit uns Antiquaren haben, irgendwo zu diskutieren. Umgekehrt sehe ich da kaum Schreibbedarf, es sei denn, die Antiquare warnen ihre Kollegen vor faulen Kunden.

Das ist also der erste Punkt. Man darf nicht ein Forum aufmachen (nur) für die, die n i c h t diskutieren wollen.

Ein zweiter Punkt ist noch wichtiger. Wir Antiquare sind ganz offenbar unfähig, unsere Lage zu verbessern. Es fehlt uns an den elementaren Techniken. Ich muß zur Zeit in dem doch nicht ganz schlechten ZVAB jeden Tag hunderte von Titelaufnahmen durchforsten und sehe neben den guten Aufnahmen bewährter Kollegen einen Rattenschwanz hundsmiserabler, geradezu peinlicher, lächerlicher Titelaufnahmen. Ich sehe, daß das in der Regel neuere Einträge sind. Insbesondere aus den neuen Ländern schwappt eine Welle schauerlich-mieser Titelaufnahmen herüber.

Eine andere Beobachtung zur Ergänzung. Viele Kollegen plagen sich in Webseiten, bei Ebay und anderswo mit umständlichen, schlechten Scans, mit absurden und ärgerlichen Bildhostern, sie beherrschen keine Techniken, kennen keine Netzadressen für ihre fachliche Arbeit. Was mir seit nun 5000 Verkäufen über Ebay (was etwas anderes bedeutet als Datenbank-Verkäufe) vertraut ist, der Umgang mit Googles Bilderdiensten, wird von den wenigsten Antiquaren beherrscht. Ähnlich s c h a u e r l i c h ist der Umgang mit den Quellen für gute, zu übernehmende Titelaufnahmen aus dem Netz. Undsoweiter... bei den grotesk-täppischen Versandtechniken hört das noch lang nicht auf.

Ehe eine böse Kollegin gleich wieder zuspringt: Nein, ich bin gar kein Vorbild in diesen Dingen. Ich kann mir's erlauben, nonchalant vor mich hinzuschlampen, da ich eine besondere (freilich auch schwierigere) Ware verticke. Aber, und darauf kommt es an, ich w e i ß, wie mans machen kann, sollte und müßte.

Ein ähnliches, schieres Grauen überfällt mich, wenn ich mit jüngeren Büchersammlern rede oder emaile. Ihre bibliographischen, bibliothekskundlichen, retrobibliographischen Kenntnisse sind völlig verfallen gegenüber dem Stand vor noch zehn Jahren. Da ist fast nicht mehr präsent!

Fassen wir mal zusammen:

1. Die Antiquare wollen nicht und nimmermehr aktiv in Foren schreiben; sie haben ihre Gründe dafür.
2. Die Kunden der Antiquare dagegen sind durchaus schreibfreudig.

3. Das technisch-praktische und das theoretische Wissen und Können der älteren Antiquare bedarf dringend der Überholung - das vieler jüngerer Antiquare ist schauerlich dürftig, oft geradezu lachhaft.
4. Die Grundkenntnisse, die unsere Kunden noch vor einem Jahrzehnt hatten, sind rapide im Verfall begriffen.

Daraus resultiert was? Viel wichtiger als ein mühsam zusammengestoppelter "Dialog" in einem "Forum" ist ein P o r t a l - als Zentrale der Wissensvermittlung, der Bereitstellung von Techniken und Taktiken unseres Berufs. Für die hunderte von peinlichen, strunzdummen Anfänger im Antiquariat, die sich in den Datenbanken breitmachen, muß das bis auf stures Kurs-Niveau heruntergefahren werden. Unsere Kunden dagegen brauchen hochkarätiges Faktenwissen.

Also: Nicht ein Forum, da sei Gott vor, sondern ein kombiniertes P o r t a l . Für uns und unsere Kunden. Auch mit Dialog, am Rande. Finanziert durch Bannerwerbung. Auch wenns am Anfang nur Cents bringt, es ist eine gute Qualitätskontrolle.



Das obere Bild zeigt die Ankunft des GIAQ-Vorsitzenden bei der Tagung am 27. und 28. April in Lübeck. In der Mitte die Buchbeschreibung neuen Stils, wie sie nach Vorstellung der Genossenschafts- und Verbandskollegen in Zukunft (wieder) aussehen sollte (mit Dank an den Altmeister Tanconville)