Dienstag, 3. Juli 2012

Consilium abeundi - Webseitenkritik des Portals "Achtung-Bücher.de"




http://www.boersenblatt.net/540595/template/bb_tpl_antiquariat/
 http://achtung-buecher.de


Versandkostenfreie Lieferung neuer und alter Bücher, das sind neue Töne. Hören wir näher hin.

Bei Neubüchern scheint die ohnehin knappe Buchhandelsspanne versandkostenfreie Lieferung nur unter Opfern zu ermöglichen, nur ab bestimmten Mindestbeträgen oder bei längerfristigen Kundenbindungen rechnet sich das.Dies wußten auch die Fabrikanten dieser Portalseite. Sie erwecken trotzdem den ersten Eindruck, als würden sie alle Neubücher postfrei liefern - erst wenn man dem diskret angehängten "Sternchen" folgt, wird ganz unten, nach mehrmaligem Herunterscrollen, in abgeschwächter grauer Kleinstschrift, informiert: "*) Alle nicht als neu gekennzeichneten Produkte werden versandkostenfrei verschickt, sofern Käufer und der Verkäufer aus dem selben Land kommen. Von dieser Regelung ausgenommen sind Neubücher der REDIVIVUS Buchhandlung. Diese werden ab 10,- EUR Einkaufswert versandkostenfrei innerhalb Deutschlands verschickt".

Diese Methode - nachträgliche Einschränkung einer vorausgegangenen Verheissung - ist wenig seriös. Wir sind hier nicht bei Handy-Abzockern, sind wir nicht?

Im Antiquariat können wir spätestens seit der stagnierenden Ebay-Aktion mit den braunen Kreisbuttons "versandkostenfreie Lieferung" von gesicherten Ergebnissen ausgehen: Der Kunde erwartet portofreie Lieferung antiquarischer Bücher "gefühlsmäßig" nicht, er kann sogar, wie wir in den Kundenforen nachlesen, negativ-mißtrauisch reagieren, weil er bei jedem postfreien Angebot nachrechnet, ob der Verkäufer das Porto nicht einfach zum Preis hinzugerechnet hat und also Etikettenschwindel betreibt. Man ist sich heute einig darin, daß eine sehr knapp gerechnete, mäßige Versandpauschale im Altbuchbereich den idealen Mittelweg darstellt.

Man kann mit Webadressen Versuche anstellen, die von Mnemotechnik bis zu Psychoanalyse alle Wissenschaften in Anspruch nehmen. Es gibt aber einige Grundsätze, zu deren Erarbeitung das gesunde, naive Sprachempfinden ausreicht. Ich muß einen positiv besetzten, erfreulichen Namen wählen, wenn ich etwas verkaufen will. Das geht nicht anders. Rücksichten dieser Art sind ganz unnötig, wenn ich eine Seite über den Zivilschutz im Atomzeitalter oder über die Gefahren von Aids bauen möchte. Aber hier sollen Bücher verkauft, mehr noch - Kunden sollen an ein vertrautes und geschätztes Portal gebunden werden.

Dann darf ich nicht mit "Achtung" arbeiten. Das ist im Deutschen allemal ein Warn- und Aufforderungswort, ein Kommando mit Droh-Hintergrund, mag nun eine Infektion, eine Lawine oder der Tatzenstock des Lehrers drohen. Es gibt, freilich schon fast veraltet im täglichen Sprachgebrauch, auch die "Achtung" vor Goethes Werk oder die "Achtung" vor dem Bundespräsidenten. Das kann hier aber nicht gemeint sein.

Daß "Bücher" in der Mehrzahl etwas unglücklich sind in Portalnamen und Webadressen, liegt daran, daß man das Buch zunächst in seiner Einzahl erinnert, während die Mehrzahl "Bücher" immer auch etwas Neutrales, Nüchternes, nicht unbedingt Positives meint. Dann bitte ich nicht zu vergessen, daß "Minus" schwach negativen Anklang hat. Radiosprechern geht es locker über die Lippen, "Südwestfunk minus Sendestudio de", aber sprachpsychologisch ist dieses "Minus" nicht gut und, bedeutsamer, es wird nicht leicht erinnert.

Drei Fehler also in einer Webadresse, wobei "Achtung" weitaus am schwersten wiegt. Zusammen aber ist das Gebilde ganz schlecht. Hier kann ein Kunde gefühlsmäßig-sprachlich nicht heimisch werden.

Die Graphik der Eingangsseite ist schauerlich. Mit dem brandroten Ausrufezeichen wurde in Form und, vor allem, in Farbe eine Zerstörung der Gesamtseite verbrochen, wie sie absurder und schlimmer gar nicht denkbar ist. Wir hatte schon bei der alten Eurobuch-Seite die Verwendung der arteriellen Blutfarbe getadelt, tadeln sie immer noch bei "Booklooker" - nun ist es Achtung-Bücher gelungen, einen noch schrecklicheren Rot-Ton zu finden. Dazu paßt dann - wir sind unter Erwachsenen - das abgeschwächte Kackbraun, das an flüchtig ausgespülte Babywindeln erinnert.

Kleinere Fehler finden sich zuhauf. So sind einige Schriftzüge der Portaleingangsseite mit affigen Schatten hinterlegt, andere nicht. Das Auge taumelt in zwei verschiedenen Dimensionen hilflos herum.

Sie konnten in dieser Softwareschmiede, wir erinnern uns dunkel, noch nie Deutsch. "Innerhalb Ihres Landes" ist sowohl sprachlich wie auch logisch Unfug, auch wenn man weiß, was gemeint ist, so darf man es nicht sagen. Mit der Wendung "Vergriffene Bücher" haben wir im Antiquariat unseren Kummer, denn darunter versteht man Bücher aus den letzten 20-30 Jahren, was unendliche Mißverständnisse beim Kunden heraufbeschwört, dem wir "alte Bücher" oder besser "antiquarische Bücher" aus fünf Jahrhunderten anbieten wollen. - "Geben Sie bitte Titel, Autor, Verlag, Erscheinungsjahr, ISBN usw. ein", auch das muß man anders sagen, irgendwo zwischen "und" und "oder" sollte man sich da schon Gedanken machen.

Graphisch-taktisch macht uns die Eingangsseite auch keine rechte Freude. Das Eingabefeld ist zu kurz, die meisten Kunden wissen nicht, daß sich das Feld im Zug ihrer Eingabe sozusagen unsichtbar beliebig erweitert. Die doppelte Moppelung "Suchbegriff" und "Schnellsuche" ist unsinnig, auch meint der Kunde, oben nur "Begriffe" eingeben zu sollen, unten aber nicht, oder doch? - Dümmlich ist die Verwendung des Worts "Top" gleich zweimal im Kopf zweier ziemlich sinnfrei organisierter Spalten. Der Kunde will keine Zufallstitel angezeigt bekommen, das macht schon Google weitaus besser mit seinem System "aufs Geradewohl" oder wie es dort heißt. - Eine Todsünde ist es, im Mittelfeld gähnende weiße Strecken freizulassen. Die Wiederholung des knallfett-bunt dahingerotzten "Achtung-Bücher.de" (in Großbuchstaben, ohnehin ein Verbrechen!) im Abstand weniger Zentimeter im Kopf der Portalseite wirkt angeberisch und aufdringlich, zu groß geraten ist auch der - typographisch scheußlich variierte - Hinweis auf "Neue und vergriffene Bücher versandkostenfrei innerhalb Ihres Landes."

Rufen wir ausgewählte Titel auf, dann wird die Sache ausgesprochen ärgerlich und ungemütlich. Kann man über Fehler der Portalseite reden, sie auch ausbügeln, dann geht es bei der Titelanzeige ans "Eingemachte", hier kommt es nun darauf an.

Die braune Darstellung der Buchtitel ist viel zu groß! Schon bei der Anzeige weniger Bücher muß man scrollen, das Querlesen wird zur Qual. Weshalb ausgerechnet die Bindungsart schwarz hervorgehoben wird, wissen nur die unglücklichen Konstrukteure. Ob man gut daran tut, auf den Amazon-Abebooks-Zug mit dem problematischen "ab" aufzuspringen, lasse ich dahingestellt. Da stecken viele knifflige Fragen dahinter, müßte man mal unter Kollegen diskutieren.

Gar nicht diskutierbar, sondern eindeutig unmöglich, unfair und, nach meiner persönlichen Einschätzung, tückisch ist die systematische Verbergung zunächst der Namen, später dann der Adressen der anbietenden Antiquare. Man liest die aufgerufene Bücherliste herunter, ohne auf den Namen auch nur eines der anbietenden Antiquariate zu stoßen. Auch wenn ich einen der Titel ein weiteres Mal jetzt einzeln anklicke, erhalte ich nur die knappe Mitteilung: "Verkauf und Versand durch Petra Gros Versandantiquariat" , habe aber immer noch keine Möglichkeit, das Antiquariat zu kontaktieren - auch dann nicht, wenn ich die "vollständige Händlerbeschreibung" anklicke.  Dieser blöde Begriff beschreibt nämlich keineswegs den Händler, sondern gibt die Buch-Beschreibung, die der Händler verfaßt hat.

Ich kann im Einzelfall nur über dem Umweg aus den "Geschäftsbedingungen" oder der "Widerrufsbelehrung" mühsam und versteckt die Adresse des Antiquars ermitteln, was bei mir 2 Minuten gedauert hat. Fazit: Hier wurde mit Absicht und System der teilnehmende Kollege zum gesichtslosen Beiträger und Hilfswilligen degradiert - als Individuum, als Firma mit eigenen Listen, Katalogen, einer Adresse usw. soll er nicht in Erscheinung treten.

Die Aufgabe meines Blogs ist es, Kollegen (und damit auch mich selbst) aufzuklären. Dazu gehört die Webseitenkritik. Das Testergebnis ist in diesem Fall "völlig ungenügend" - 6 - mit der Androhung des Consiliums Abeundi, wegen Tricks des Verantwortlichen, die mehrfach unter die Gürtellinie gehen.


Das Filmbild aus der "Feuerzangenbowle" gehört vermutlich den UFA-Rechtsnachfolgern. Wir danken für die Ausleihe.