Dienstag, 29. Dezember 2009

Unseren Absatzproblemen auf der Spur - ein Selbstversuch. Teil I




Um verläßliche Daten zu bekommen über die Schwierigkeit, in dieser Zeit durchschnittliche ältere Bücher zu verkaufen, beschloß ich vor 14 Tagen, mich einem Selbstversuch zu unterziehen. Nur so kann ich mein Vorgehen steuern und Normen definieren.

Ich sortierte aus meinem weitgehend ungeordneten Bestand, den ich in einer großen Altbauwohnung, in Kellern usw. in 30 Jahren angesammelt habe, alle Titel aus, für die zutreffen sollte:

*Fachgebiet Theologie, beide Konfessionen, sowohl Fachtheologie als auch Volksfrömmigkeit (unter Ausgrenzung der Traktatliteratur und der religiösen Dichtung)

*Zeitraum 1800-1930

*Mittelwert bei bookfinder/ ZVAB unter 50 Euro, aber über 10 Euro

Ich brachte die letzten beiden Adventwochen mit dieser Aufgabe zu, bei der weit über 20.000 ungeordnete Bände aller Fachgebiete durchzuschauen waren, die teils in Dreier- und Viererreihen stehen (schmale und breite Sten-Bretter, sapienti sat). Halbtot, staubbedeckt und von Schimmelpilzen überzogen tauchte ich wieder aus dem Chaos auf.

Die Titelzahl in Sachen Theologie war nun überschaubar, etwa 5000 Titel, nicht mehr, schon weil andere Sachgebiete in meinem Ankaufsgebiet seit jeher dominieren, als da sind Trivialromane, meist 1860-1920, unendliche Militaria-Reihen, Broschüren und Nonbooks (über die ich heute sehr froh bin), Papier, Papier...

Von den Bucharten und Themen her beobachte ich nun innerhalb "meiner" Theologie eine erfreuliche Ausgewogenheit, was nicht zuletzt daher kommt, daß ich nie eine geschlossene theologische Bibliothek kaufen konnte, aber in Pfarrhäusern aller drei Konfessionen des Ankaufsgebiets gut bekannt bin.

Die nächsten Schritte, die ich vornahm, sind natürlich allen Kollegen vertraut:

*Alphabetische Sortierung nach Anfangsbuchstaben, dann Auswahl eines Buchstabens zur ersten Bearbeitung, ich wählte "B" aus, und hier wiederum die Untergliederung "Ba" (teils bis "Be"). Das waren etwa 120 Titel, immer beschränkt auf den Zeitraum 1800-1930.

*Abfrage aller Titel (es waren übrigens kaum Mehrfachtitel dabei) in bookfinder. Ich rate allen Kollegen, das in Paranthese, dazu, Preise nicht mehr im ZVAB, sondern in bookfinder nachzusehen, aus vielerlei Gründen, über die wir ein andermal diskutieren können. Hauptgrund ist natürlich die realistischere Preisüberschau nach *unten* hin, aber bei alten oder schwierigen Titeln ist auch die ganz geniale Darbietung der Titelvarianten dort sehr hilfreich. Bookfinder ist gottseidank auch schneller geworden.

*Ausscheidung aller Titel, die öfter als etwa 3x angeboten werden, bei teuren dürfen es auch 4 oder 5 sein, und/oder die im Mittelwert unter etwa 12 Eur liegen.

Nach dieser Operation blieben von den 120 Titeln ba (-be) noch 43 übrig. - Grund für die Ausscheidung der billigen und/oder der häufigen Titel ist die Erwägung gewesen, daß ich das Ergebnis durch eine Hereinnahme der Mehrfach- und der Billigtitel nicht herabdrücken wollte.

So nützlich der Titeltransfer nach System Wiesler auch ist für neuere Titel, muß ich diese Methode aus Qualitäts- wie auch aus Zeitgründen für ältere Titel verwerfen. Das bringt einerseits zuviele zeitraubende Fehler, zum anderen stimmt bei Wiesler die Qualität nicht (immer). Ich legte mir also eine Reihe solcher Registerkarten in Firefox an, die unmittelbar verwertbare Titeleien ("ISBD-Dateien") aus großen Bücherdatenbanken liefern. Aus etwa 2/3 aller Datenbanken kann man sie extrahieren, oft freilich muß man den Eingang zum ISBD erst mühsam suchen. Hat man ihn aber einmal gefunden und jeweils notiert, gehts wies Bretzelbacken.

Im Fall der älteren Theologie war das (in der Reihenfolge der Brauchbarkeit) VThK, dann KVK, hier freilich nur der GVK-Zugang, das exzellente Baden-Württemberg-Katalogmodell usw., während Bayern in Sachen flotter Titelextraktion eine Stätte des Grauens darstellt und Deutsche Bibliothek Leipzig (wir sprechen von der Retrokonversion der älteren Titel) wie auch Staatsbibliothek Berlin durch unsägliche Titelschluderei enttäuschen. Darüber können wir ein andermal sprechen.

Vor allem dank des rührend gepflegten, ganz erstaunlich guten VThK konnte ich aus allen Titelquellen insgesamt 40 von 43 Titeln direkt einkopieren, natürlich nach Wordpad, um die teils recht tückischen Formatierungen auf alle Fälle loszuwerden.

Dann setzte ich, für jeden Titel von Hand, die für die Erstellung der CSV-Datei notwendigen Sternchen ein (Sternchen lesen sich später am leichtesten), in meinem Fall vor bzw. zwischen

Autor*Titel*Jahr*Beschreibung*Nummer*Preis*Anmerkung*Schlagworte

wobei ich unter "Jahr" Ort, Verlag und Jahr subsumiere, unter "Beschreibung" Seitenzahl und Einbandart, unter "Anmerkung" den Zustand des Buchs. Auf Ausfüllung der Rubrik "Schlagworte" verzichte ich vorerst, aus Zeitgründen. Ich stelle Ihnen die fertige Transferdatei, bereit zum Überspielen nach ZVAB, in einem Ausschnitt mal vor:

"Autor"~"Titel"~"Jahr"~"Medienschlüssel"~"Beschreibung"~"Nummer"~"Preis"~"Anmerkung"~"Schlagworte"
"Bachmann, Philipp:"~" Nun aber halte ich Dein Wort : ausgewählte Predigten / von Philipp Bachmann. - "~"München : Kaiser : 1932. - "~0~"OLn VIII, 194 S."~"tb01"~13~"schön erhalten"~
~"Liber duodecim prophetarum : Textum masoreticum accuratissime expressit, e fontibus Masorae varie illustravit, notis critics confirmavit ... / Hrsg. von Seckel Baer. - "~"Lipsiae : Tauchnitz, 1878. - "~~"Hln. X, 102 S., Einheitssacht.: Prophetae minores"~"tb02"~12~"sehr klarer Druck"~
~"Liber Genesis : Textum masoreticum accuratissime expressit, e fontibus masorae varie illustravit, notis criticis / confirmavit S. Baer; praefatus Fr. Delitzsch. - "~"Leipzig : Tauchnitz, 1869. - "~~"Hln. VIII; 96 S."~"tb03"~12~"klarer Druck"~
"Alonzo L. Baker: "~"Die Hoffnung der Welt. "~"Pacific Press, Brookfield 1926. "~~"OLn. 384 Seiten"~"tb04"~19~"Vordergelenke etwas gelockert. - eindrucksvoll illustriert im Stil der Pfingst- und Zeltmission in den USA"~
"Philipp Balzofiore "~"Lebensgeschichte der ehrwürdigen Dienerin Gottes Anna Maria Taigi : (1769 - 1837) / von Philipp Balzofiore, übrsetzt von: Wimmer, Boniface. 2., unveränd. Aufl. 1873. "~"Regensburg [u.a.] : Pustet, 1873."~~" OBroschur XVI, 134 S. : Ill., Aus dem Ital. übers."~"tb05"~24~"Broschur noch uneröffnet, letzte Blätter gering geknickt"~

Die Sternchen sind, weil das ZVAB das will, hier einfach in Tilden~ umgewandelt worden, das Programm bietet diese Möglichkeit automatisiert an.

Die weiteren Schritte zur Behandlung der CSV-Datei habe ich mit "OpenOffice CALC" (Freeware) vorgenommen, ich warne ausdrücklich vom dem teuren Windows-Tabellenprogramm. - Die zunächst etwas kniffelige Rückverwandlung der CSV-Tabelle in das von den Datenbanken geforderte TXT-Programm ist auch für EDV-Laien wie mich keine Hexerei. Man muß es einmal lernen, ein Nachmittag, dann sitzt es.

Dann scannte ich *jeden* Titel mit einem sehr schnellen A3-Scanner ein (ein uralter Epson GT-15000).

Nach leidvoller Erfahrung mit billigeren A4-Scannern, die mich zur Raserei gebracht hatten, arbeite ich nun vergnügt mit dieser Maschine. Sie hat ziemlich stur einen Ebay-Gebrauchtpreis von 400-500 Euro (neu unsäglich viel mehr). Dieses Geld habe ich nie bereut. Beißen Sie in diesen sauren Apfel, tun Sie es! Gebraucht reicht aus, da diese großen Maschinen für hunderttausend und mehr Scans ausgelegt sind.

Viele Kollegen fürchten sich vor der Forderung der Datenbanken, daß die Bezeichnung des Scans bzw. Fotos übereinstimmen muß mit der dazugehörigen Buchnummer. Hier ist wieder eine gute Stunde anzusetzen, in der Sie das richtige Einsetzen der Startsignatur beim ersten Scan lernen und, noch wichtiger, das automatisierte Herunternummerieren in der Buchnummern-Spalte des OpenOffice-SCV.

Mit Tinypic (gratis) verkleinern Sie die Bilder in Sekundenschnelle herunter. Versuchen Sies erst gar nicht mit Irfan, viel zu kompliziert. Tinypic!

So, jetzt haben wir eine ganz wichtige Z e i t - Größe, die für alle älteren und/ oder schwierigen Titel genau gleich gelten dürfte:

BEZOGEN AUF DEN SCHLIESSLICH EINGESTELLTEN=VERWENDETEN TITEL:

Sortieren A-Z mit Feinsortierung 1 min
Preisermittlung/ Aussondern über Bookfinder: 3 min (hierin sind enthalten ca. 3 Nachschauungen, da ja ca. 2 entfallen, einer bleibt)
Scans einschl. Vor- und Nacharbeit 1 1/3 min
Hereinholen der Grundtitelei 2 min
Sternchen-Einsetzen 2/3 min
Eintrag von Preis, Einbandart, Zustand 2 min

SA. 9 1/2 = 10 Minuten je definitiv eingestelltem Titel

Diese 10 Minuten sind eine ziemlich grauenhafte, weil viel zu hohe Bezugsgröße. Mein Gefühl sagt mir, daß hier der springende Punkt liegt. Egal, ob ich die ganzen Arbeiten delegiere (wer kann das eigentlich sonst noch machen?) und dann den Arbeitslohn bezahlen muß, oder ob ich selber am Kasten sitze - wird da wenigstens ein Putzfrauenlohn herauskommen für mich?

Der mittlere Verkaufspreis der Ware in diesem Selbstversuch liegt übrigens brutto etwa bei 24 Eur.

Ich habe gestern die 42 Titel in ZVAB und Abebooks eingegeben und warten nun auf das Resultat. Ich vermute, daß es verheerendausfallen wird.

Eine ganze Menge der üblichen relativierenden Argumente ("das ist doch bei jedem Kollegen wieder anders") glaube ich durch die sorgfältige Versuchsanordnung ausgeschaltet zu haben. Jetzt kann jeder die Bezugsgrößen für sich selber nachprüfen. Und alte Theologie ist als Gebiet immerhin doch noch im unteren Mittelmaß der Beliebtheit, vorausgesetzt es wird sorgfältig ausgesiebt, wie ichs doch wohl getan habe.

Das Ergebnis wird, nach meiner Schätzung, bei etwa 2-3 % verkauften Titeln liegen - und damit wird die Unrentabilität unserer Arbeit unter den gegenwärtigen Marktbedingungen dann klar zutage treten.

Wenn das so sein sollte, dann kann ich mich, immer unter Verwendung der Standards, an die ich mich gehalten habe, an eine Untersuchung des Marktes machen.

Das wird dann der zweite Teil des kleinen Selbstversuchs sein.

Wir müssen herausbekommen, weshalb wir mittlere Titel der hier vorgestellten Art in so beschämend geringem Maß loswerden. Dafür gibt es Gründe. Kennen wir die, können wir uns konkrete Maßnahmen zur Absatzförderung ausdenken.

Zunächst aber brauche ich die Ergebnisse dieses kleinen Selbstversuchs, über den ich Sie gern ins Bild gesetzt habe.




Für das Foto "Selbstversuch" danke ich Landsbytossen, von wo ichs ausgeliehen habe.