Mittwoch, 28. Oktober 2009

Lieber Antiquariats-Anzeiger! Nachruf auf einen Frühverblichenen


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1.
Graphisch war er keiner der Schönen im Lande. Wir wußten aber als Antiquare, die wir unsere "Wilhelmine Buchholz" im Regal haben, daß das mangelhafte Outfit "ja nur äußerlich" war und Dr. Frenzchen frohgemut in die Zukunft blicken konnte. Und richtig hatte Kollege Paulitz einige gute Ideen (z.B. das Einbinden von Videos) und eine sehr gute, nämlich die Einholung umfangreicher Kollegen-Interviews.

Das war um so erfreulicher zum Lesen, als sich dort die Antiquare ja vor sachverständigem Publikum entblättern mußten. Die Schwächen und Stärken ihrer Persönlichkeit und ihres Geschäftsbetriebs kamen zwischen den Zeilen deutlich zum Ausdruck, wovor aber verständige Antiquare keine Angst zu haben brauchten, denn in jedem Fall, wie immer sie sich auch darstellten, ihre Offenheit kam gut an im Kollegenkreis und das Ergebnis war unter dem Strich sehr positiv für den jeweiligen Autor.

Das Referieren von einschlägigen Presseberichten hätte fleißiger vor sich gehen können, auch hätten wir gern mehr aus der eigenen Werkstatt des klugen Redakteurs gelesen. Etwas deutlicher hätten Roß und Reiter benannt werden sollen, ich weiß heute noch nicht, wer welcher Kater war. Unter Antiquaren wimmelt es nur so von Büsis.

Ich hatte das Unternehmen anfangs sehr kritisch beäugt, wurde ihm aber in der letzten Zeit wohlgesonnen, schrieb auch einige für meine Verhältnisse ungemein brave Leserzuschriften. Das plötzliche Ende trifft mich hart, Sie werden gleich sehen weshalb.

Wer so viel Zeit investiert in ein Vorhaben dieser Art, der gibt es nicht leichten Sinnes auf. Daher versuche ich erst gar nicht, stormchen zu einer Fortsetzung zu bewegen, denn das ist die Art nicht an der Nordsee, sich wankelmütig hin- und herbewegen zu lassen. Roma locuta, causa finita.


2.
Bei der Entscheidung des Kollegen scheint eine, nun sagen wir, gewisse ungeklärte Haltung gegenüber Dr. Biester und seinem Börsenblatt-Ableger nicht unbeteiligt gewesen zu sein. Es besteht ja immer die Gefahr, daß ein neues Medium sich auf das alte, bisher tonangebende einschießt, daß ein "Anti-Börsenblatt" entsteht. Sowas kann man nur durchziehen, wenn man Mulzer heißt und Spaß daran hat, den Börsenverein und Dr. Biester zu demontieren. Ansonsten wäre es, da hat stormchen sicher Recht, ein trauriges Geschäft, nur der Antipode des Börsenblatt-Netzdienstes zu sein.

Er beklagt jetzt vermutlich - weißgott ganz zurecht - die Eigensüchtigkeit und Faulheit der Kollegen, von denen Unterstützung nicht zu erwarten sei. Es war in der Tat betrüblich, daß nicht mehr Leserzuschriften aus dem Kreis der Antiquare hereinkamen, auch hätte ich von denjenigen Kollegen, die eifrig Blogs schreiben, etwas mehr Mitarbeit erwartet.

Freilich hat stormchen zu wenig Geduld gehabt. Bei raschen Nachsehen in Google hätte er sich über sein Ranking schon freuen dürfen und feststellen können, daß diese Suchmaschine zeitschriftenartige, täglich nachgeführte Spezialmedien außerordentlich hoch positioniert, mit längerer Puste hätte er sichbald unter dem Stichwort "Antiquariat" ganz vorn bei Google gesehen und wäre zu einem begehrten Werbeträger geworden.


3.
Mit seiner Entscheidung, den Antiquariats-Anzeiger einzustellen, hat mich stormchen in eine schwierige Lage gebracht. Ich halte ein Medium für Antiquare und ihre Kunden für sehr wichtig. Der Antiquariats-Ableger des Börsenblatt-Netzdienstes erfüllt diese Aufgabe nicht, ich hatte das ja in diesem Blog ausführlich begründet. Bei näherem Hinsehen ist die ganze buchhistorische Konzeption der gedruckten Ausgabe von "Aus dem Antiquariat" seit vielen Jahren völlig verfahren, richtig müßte der Titel lauten "Wissenschaftliches Organ für Spezialfragen der Buchgeschichte". Auch darüber habe ich ja genug geschrieben.

Wenn nun weder der Netzdienst noch das gedruckte Monatsheft den praktischen Ansprüchen der Antiquare und der Büchersammler genügen, dann kann es nur eine Entscheidung geben bei der Planung einer neuen Antiquariatsmediums - die Texte des neuen Netzdienstes müssen geordnet, aber wenig verändert auch als Monatszeitschrift gedruckt werden.

Ich hatte gehofft, stormchen würde nach einiger Anlaufzeit auf ebendiese Idee kommen. Schließlich drängt sich das ja auf. Jeder Bibliotheksbesucher weiß, daß "Aus dem Antiquariat" neben der Zeitschrift für Alt-Aramäisch zu den am wenigsten gelesenen Fachorganen gehört, stets sind die Hefte blütenweiß und ohne jede Knitterspur. Kein gutes Zeichen... Das Niveau ist einfach viel zu abgehoben, die Themen höchst reizvoll (wenn Biester nicht gerade alle 1933 hinausgeekelten Kollegen zu "Auswanderern" erklärt, aber lassen wir das), aber schwierigst zu lesen. Was dann an "Antiquariatspraxis" dazwischengestreut wird, liest sich um so unpassender und plumper.

Die Zeitschriftenform ist für jedes Antiquariatsmedium deshalb so wichtig, weil die Goodwillträger unseres Gewerbes in ganz hohem Maß auch in großen und kleinen Bibliotheken zu finden sind.

Die Druckform ist aber auch wichtig für jenen Bereich, den Biester qua Gesamtkonzept seines Netzblatts nur wenig bearbeitet: Ich spreche von der Einbeziehung unserer Kunden in Erörterung und Diskussion. Das neue Medium müßte versuchen, eine echte Ombudsman-Funktion zwischen Antiquariat und Kunde einzunehmen.

Haben wir erst einmal ausreichend Leser unter den Sammlern für die Netz- und die Druckausgabe, dann wird das Inserieren für die Kollegen interessant. Als weitere Brückenfunktion möchte ich die Mitberücksichtigung des Bibliotheks- und Archivwesens verstehen. Wir sind dort als Antiquare in Zukunft eher noch mehr eingebunden, als das heute schon der Fall ist. Wir müssen auch mitreden, etwa im IuD-Programm.


4.
Wer sich an einer solchen kleinen Medienunternehmung beteiligen möchte, der ist freundlich eingeladen, mit mir in Briefwechsel zu treten. Ich bräuchte *dringend* Kollegen, die fließend Texte in

*Italienisch und in
*Spanisch

lesen und gelegentlich aus dem Ärmel übersetzen wollten.

Im Übrigen müssen wir halt mal sehen, was wir aus der Situation machen können. Technische Probleme reduzieren sich, da ich mich einigermaßen auskenne im Reiche der Rechner, auf das Finden eines *leicht verständlichen* Content-Systems. Die sind mir bisher alle zu kompliziert und zu anspruchsvoll. Wir brauchen was für Taubenzüchtervereine oder so.

Wir wollen stormchen aufrichtig danken für seine Arbeit!

Nun müssen wirs halt selber richten. Irgendwie.


Unser Dank für die Verwendungsmöglichkeit des Bilds geht an interstein.de, der das Foto gehört.