Absatzförderung und Arbeitstechnik im Altbuchhandel, einer werten Kollegenschaft auseinandergesetzt von Peter Mulzer
Dienstag, 29. Mai 2012
Imageprobleme beim ZVAB - Absicht?
Werte Kollegen,
auch dem flüchtigen Leser muß auffallen, daß Abebooks.de ganz hervorragend redigiert wird. Im Gegensatz dazu kommt das ZVAB derzeit mit ziemlich schrecklichem sprachlichem Ungeschick einher. Wir wissen, wie schädlich gerade bei den Käufern anspruchsvoller Bücher Sprachschludereien wirken - das Image eines Bücherverkaufsportals wird dadurch nicht nur beschädigt, sondern mittelfristig geradezu zerstört.
Wird das ZVAB von seiner Konzernmutter Abebooks /Amazon bewußt niedergefahren, um es dann mit dem Segen der deutschen Monopolbehörde - endlich - schlucken zu können? Ich stelle das Ihrem Urteil anheim.
Imageschädlich sind weniger zufällige Rechtschreibfehler. Es sind vielmehr S t i l f e h l e r und gedankliche Schieflagen, die sich da verheerend auswirken.
Beim ZVAB ärgern sie zur Zeit den Nutzer mit einem kurzen Strindberg-Aufsatz, der knapp gezählt z w a n z i g falsche, schiefe, schlechte Textstellen enthält - ein seltsamer Text, um es milde zu sagen. Wen soll dieses Sprachkunstwerk erfreuen? Sehen wir näher hin.
Man weiß gar nicht, wo man anfangen soll, zu erzählen > seltsame Satzbildung, unklare Kommasetzung
Man weiß gar nicht, wo man anfangen soll, zu erzählen. Über dieses Leben, über dieses Werk. Über diesen Mann. > Über, über. Über... Das ist kein Deutsch.
Die Biographie August Strindbergs steckt voll von den Klischees, die man landläufig mit einem Künstlerleben in Verbindung bringt > und ich stecke voll Zorn über diese Wortwahl
...steckt voll von den Klischees, die man landläufig mit einem Künstlerleben in Verbindung bringt: Frauen, Paranoia, Kritik an allem und jedem, Kampf mit der Obrigkeit, Kontakt zu den Geistesgrößen der Zeit > Frauen, Paranoia, Kontakt zu(!) den Geistesgrößen ... Obersekundaneraufsatz, Note 4
Und doch ist all das natürlich nicht nur Klischee, sondern machte Strindberg zu dem, als was wir ihn heute sehen > wer, wie, wo bitte?
...machte Strindberg zu dem, als was wir ihn heute sehen: eine Art skandinavischen Zola, doch bei aller Zeitgenossenschaft einzigartig in seinem Wirken. > Zola zu schiefen Bildern verwendet, Schluderdeutsch "Zeitgenossenschaft", "bei aller..."
Die Richtung dieser Beschäftigung ändert sich bis hin zum Okkulten > Meine Richtung ändert sich nun bis hin zum Zorn
jedoch wird Strindbergs Schaffen immer diesen spirituellen Hintergrund behalten > und ich behalte(sic) meinen Zorn
...alles aufs Korn genommen hatte, was den schwedischen Staat in jener Zeit ausmachte > und was "mache" ich "aus" ?
1894 gerät er... in Konflikt mit der Kirche, wird ......Als Nestbeschmutzer verleumdet, siedelte Strindberg... > Bitte sich gefälligst für eine durchgeführte Zeitform zu entscheiden
Es ist dies die dezidiert naturalistische Phase Strindbergs, in der wohl auch der Vergleich mit Zola am besten greift. > "dezidiert", "greift" - ich greife mir an die Stirn
wer nichts vom Elend der Menschen lesen möchte, sollte Strindberg zur Seite legen. > zur Seite?
Staat, Kirche und andere gesellschaftliche Institutionen bekommen ihr Fett weg > nach hochtrabendem Gesumse hier plötzlich üble Thekensprache
...niemand wird geschont. In Das rote Zimmer formulierte er ... > wieder Zeitsünden
wechselt jedoch zu Beginn der 90er Jahre mehr und mehr die künstlerische Farbe > ich wechsle meine Farbe auch und werde künstlerisch rot vor Zorn
und dessen Ideen fortan so viel Einfluss hatten, dass Strindberg sogar über die Gründung einer gemeinsamen literarischen Schule nachdachte. > Einfluß auf wen?
wird dieses umfangreiche Werk doch immer von etwas zusammengehalten, was aus jeder Zeile Strindbergs spricht: dem echten Interesse für die Psychologie seiner Figuren, für das, was sie in ihrem Innersten bewegt > üble Schwurbelei "echtes" Interesse, "Psychologie" seiner Figuren (wiebitte?), "aus jeder Zeile", "im Innersten bewegt"
...und findet, wie sollte es anders sein, einen Ausgang aus all dem nur durch exzessives Schreiben. > "Ausgang" - schiefes Wort
An Strindberg lässt sich sehr gut sehen, was den Schriftsteller in den Augen vieler Leser zum bewunderten Künstler werden lässt: Es ist, als ob er eine Stellvertreterexistenz lebt, er durchleidet all das, was uns in unserem bürgerlichen Leben versagt bleibt und von dem wir auch nicht wissen, ob wir es durchleiden wollten. > Ein in sich seltsamer Satz
Mit solchem unsicher Dahingeschriebenem vergrault das ZVAB auch noch den letzten Nutzer. Ein Einzelfall?
Ebenfalls direkt verbunden mit der ZVAB-Hauptseite lesen wir einen Aufsatz über Arthur Schnitzler, aus dem wir der Einfachheit halber nur einige Sprach- und Denksünden zitieren:
Zeit seines Lebens hat Schnitzler die stetige Selbstreflexion zum Bestandteil seines Schaffens gemacht. - er hat in unzähligen Briefwechseln über das Leben nachgedacht - und den Austausch darüber mit seinen Briefpartnern gesucht. - Und er hat nicht zuletzt all diese Reflexion immer wieder in seine Bühnenstücke, seine Novellen und Romane einfließen lassen. - bekommen wir durch ihn einen genauen Eindruck der psychischen(!) Verfassung, die das Wien um die Jahrhundertwende geprägt hat. - dass der heutige Leser sich oftmals wiederzu erkennen glaubt - Leben und Werk fallen indes bei Schnitzler oftmals auseinander - der bei den Frauen nichts anbrennen lässt - Stücke und Prosatexte fast prä-feministisch - Dabei bleibt er im Privatleben oft genug konventionell, nur um(!) im Tagebuch genau das wieder einzugestehen Fakt ist: Arthur Schnitzler hatte ein Gespür für die "Nervösität" seiner Zeit wie vielleicht kein Zweiter. Und gerade das macht ihn heute immer noch interessant, in einer Zeit, die durch ihre hohe Geschwindigkeit den Menschen immer atemloser macht, sein Nervenkostüm pulverisiert und beschädigte Individuen zurücklässt. - Durch die fehlende Bevormundung des Lesers ist Schnitzler einerseits angenehm zu lesen, andererseits ist das Gefühl, sich in den Handlungen einzelner Figuren wieder zu erkennen, stets präsent und hinterlässt genau die Form von Beunruhigung, die große Literatur im besten Falle hervorzurufen in der Lage ist.
Ganze Abschnitte verkommen so zu Schwurbeleien der übleren Sorte.
Und sonst beim ZVAB?
Versäumen Sie nicht, auf die kleinen Bildchen zu klicken, um eine volle Darstellung der Bücher zu sehen! > Erstens: Was ist eine "volle Darstellung"? Zweitens ist das jedenfalls kein gutes Deutsch. Drittens sieht man auch beim Anklicken nur bescheidene Rückenpixeleien oder Scans von Einzelseiten. "Volle Darstellung"?
Er enthält ein komplettes Set präzise gestochener Karten...., auf welchen die Orte des Alten und Neuen Testaments dokumentiert sind > nix gutes Deutsch. - Der iranische Autor, in lateinischer Sprache als Geber bekannt - Neben so unterschiedlichen Bereichen wie Philosophie, Astronomie, Geografie und Pharmazie befasste sich der Universalgelehrte mit der Alchemie. - In dieser Schrift beschäftigt sich G.E. Lessing mit den Unterschieden zwischen bildender Kunst und Literatur und beeinflusste damit die Kunsttheorie erheblich. > Nur gut, daß er sie nicht "erheblich" beschädigt hat damit. - Er ist in deutscher Handschrift geschrieben, > Krutzitürken, was soll das? Daß er in deutscher Handschrift "geschrieben" ist, darf vorausgesetzt werden (es gibt nur wenige gedruckte Schreibschrift-Bücher), und bitte, was ist "deutsche" Handschrift? Meint man Sütterlin, soll man es sagen, bei noch älteren Händen so wie hier wird es kniffelig. "Deutsche Handschrift" jedenfalls ist ein Unwort. - ...des Autors Ernst Jünger, der nicht nur deutscher Schriftsteller, sondern auch Philosoph, Offizier und Insektenkundler war. > halten zu Gnaden, sind Philosophen nicht auch Schriftsteller, zum Beispiel? "Dichter" wolltest du sagen...
Am Rande bemerkt: Folgender Abschnitt in "Das Unternehmen ZVAB" (schöner wäre "ZVAB - das Unternehmen") ist für jeden Abmahnhai ein gefundenes Fressen:
"Seit 1999 gehört das ZVAB zur mediantis AG. Die Fusion mit ChooseBooks, dem amerikanischen Pendant des ZVAB, im Jahr 2004 erweiterte das Angebot des ZVAB um viele Millionen hauptsächlich englischsprachiger Titel."
Der letzte Satz, den ich zitieren darf, ist von ergreifendem sprachlichem Ungeschick:
Das ZVAB verbindet ein umfassendes antiquarisches Angebot mit einer einfachen Handhabung und großer Professionalität.
Im Bild oben sehen wir das zerstörte und gelöschte ZVAB nach der endgültigen Übernahme durch Abebooks/ Amazon. Es weinen zwei Antiquare.
Nachschrift, notwendige:
Lieber Herr Tergast,
ich habe Verständnis dafür, wenn Sie meine Kritik an Ihren Texten als unfair, unpassend und höchst ärgerlich empfinden. Es sind Sachzwänge, höhere Zwecke und Absichten (unbeauftragt im Namen aller Antiquare), die mir keine andere Wahl lassen. Die Sache verhält sich so, daß Ihre Texte in der jetzigen unredigierten Gestalt wirklich imageschädlich sein können - das ZVAB hat es mit einer Klientel zu tun, die weitaus gebildeter ist, als wir es gemeinhin annehmen. Jeder Antiquar weiß, daß er mit dem überwiegenden Teil seiner Kundschaft in geistiger Hinsicht gar nicht vorsichtig genug umgehen kann. In aller Regel sind es geistig hochstehende Menschen, die unsere besseren Bücher kaufen. Jeder von uns hat schon die Erfahrung gemacht, zurückhaltend auftretende Kunden zu unterschätzen - das rächt sich immer grausam und ist vor allem peinlich für den Antiquar.
Es ist eine bedenkliche, gefährliche Aufgabe, wenn eine Datenbank mehr oder minder volkstümliche "Kulturbeiträge" verfassen läßt, um sie als eine Art Zückerchen, als eine Garnierung ihrem Portal beizufügen. Ich bin ein Gegner solcher Aktionen. Notabene, auch hier arbeitet Abebooks weitaus geschickter durch die engere Themenwahl, die näher an antiquarischen Fachbelangen bleibt. Vom alten Buch im besonderen bis zur allgemeinen Kulturschau ist es ein langer Weg.
Sie kommen vom "Buchreport" und sind, so vermute ich, eigentlich näher an der Buchpraxis. Vielleicht sind Ihnen allgemeine Kulturtexte insgeheim auch ein Greuel vor dem Herrn, aber Sie konnten den Auftrag nicht ablehnen. Mag sein. Wenn Sie sich aber dieser undankbaren und, ich wiederhole es, gefährlichen Aufgabe unterziehen, dann bemühen Sie sich um eine Supervision, verlagstechnisch ausgedruckt: Sie brauchen zwingend einen sehr geduldigen Lektor.
Ich werfe Steine aus dem Glashaus, denn ich könnte solche Texte vermutlich nicht viel besser niederschreiben. Es ist eine Krux mit dem allgemeinen Kulturgelabere, der Fehler liegt beim ZVAB, das solche Themen einfordert. Wie viel anregender wäre eine Sammlung von Anekdoten, von kuriosen oder spannenden Originaltexten, von markanten Aussprüchen, von Bildern - alles, alles, nur bitte nicht jenes allgemeine Kulturgeschmuse.
In diesem Sinne, mit einem hoffentlich versöhnlichen Schluß, bleibe ich gern Ihr
Peter Mulzer