Montag, 2. November 2009

Sinnlose und sinnvolle Kundenbefragungen im Antiquariat

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Redakteur Biester erfreut uns im Börsenblatt mit folgender Anfrage:

"Wie soll eine Buch- bzw. Katalogbeschreibung idealer Weise aussehen? Wie soll die Kommunikation zwischen Kunden und Antiquariaten ablaufen? Wie soll die Vermittlung von Informationen aussehen? Schauen Kunden auf Antiquariats-Homepages oder meist nur auf die bekannten Plattformen? Werden Bücher mittels der großen Suchmaschinen gesucht? Wünschen Kunden gedruckte Angebote, also Listen und Antiquariatskataloge, oder lieber elektronische Newsletter und individuelle Ansprache? Möchten Kunden ihre Büchersuchlisten an Antiquariate weitergeben, um nicht selbst im Internet oder anderswo suchen zu müssen?"

Die Umfrage richtet sich ausdrücklich an die Kunden, nicht die Händler sind gefragt, sondern private und institutionelle Käufer, gelegentliche und regelmäßige.

Zu erhoffen sei dadurch, ich zitiere weiter, eine Lösung der großen Rätselfrage, die uns Antiquare so sehr auf den Nägeln brennt: " ...wissen Antiquariate eigentlich, was Büchersammler und Gelegenheitskäufer antiquarischer Bücher vom Antiquariatsbuchhandel erwarten?"

Nun kann man sich die Lobpreisungen und Mängellisten, die Ärgernisse und Wünsche aus dem Kundenkreis nicht einfach durch hurtig angeleierte Pseudo-Befragungen einholen. Es gilt doch, einige Anfängerregeln in Marktforschung, Soziologie und Psychologie wenigstens im Wiki-Maßstab anzuwenden. Das lernen Gymnasiasten heute im Leistungskurs der 12. Klasse.

Für den besonderen Fall des Antiquariatsbuchhandels sind die wichtigsten Überlegungen dazu, auf Konzeptpapier flüchtig notiert, in etwa diese:

1.
Durch einen seriösen Katalog muß ich das weite Feld der möglichen Fragestellungen aufgliedern und damit im Umfang überhaupt erst deutlich machen. Der Kunde ist überfordert, wenn ich ihn einfach frage "was willst Du", denn er überblickt die komplizierten Zusammenhänge in aller Regel nicht. Das Börsenblatt tippt wenigstens einige mögliche Fragestellungen an, aber das reicht in dieser Form absolut nicht aus.

Ich muß dem Kunden, den ich befragen will, verdeutlichen, daß er sich zur Frage brauchbarer Sachindizierungen, zur Aufgliederung der Buchthemen, zur formalen Gestaltung von Katalogen und Listen, zur graphischen Benutzbarkeit der Datenbanken, zur Art der Zustandsbeschreibung, zum wünschbaren Umfang von Scans ebenso äußern kann und soll wie zum Umgang des Antiquars mit telefonischen Nachfragen, mit Suchwünschen, Mängelrügen und Preisnachlässen, zum Verhältnis Ladenbesuch zu Internetkauf, zum Stil der Ladengestaltung, zur Zusammenarbeit der Antiquare aus der Sicht des Kunden, zur Idee von Webseitenbündnissen aus der Sicht des Kunden, zum Problem der Digitalisierungen älterer Titel ... ...

Das alles sieht er, der befragte Käufer, zunächst nur in eher zufälligen persönlichen Ausschnitten und antwortet auch nur punktuell, es sei denn, daß ich ihn durch einen geschickten Fragenkatalog auf die Vielzahl von Ideen bringe, zu denen er sich äußern könnte.

2.
Sogar als eingefleischter Werbefeind - die ganze Branche ist mir höchst zuwider - ärgere ich mich über jene fern jeder Werbepsychologie agierenden Leute, die da glauben, man würde gratis und gern an Umfragen teilnehmen. Habe ich denn meine Zeit gestohlen? Ist denn meine Zeit nichts wert? Das wird sich der angesprochene Kunde fragen, insoweit wir ihm nicht ein kleines Geschenklein, einen bescheidenen, aber doch deutlichen Vorteil gewähren als Ausgleich für seine Mühe. So sind wir Menschen konstruiert.

Also muß ich bei Umfragen, vor allem wenn es sich nicht um Fachkollegen, sonern um Kunden handelt, etwas anbieten. Das kann - nicht die schlechteste Idee - ein Büchlein sein mit dem Gesamtregister der Antiquare oder die bescheiden, aber sorgfältig hergestellte Digitalkopie eines alten Antiquariatsführers um 1870 oder sonst was kleines Nettes, das der Kunde für seine Umfrage im Gegenzug erhält, Versand als Büchersendung.

3.
Dr. Biester garantiert Anonymität. - Soweit ich das überblicke, sind nur wir Antiquare mit dem Anonymitäts-Tick behaftet. Ansonsten hassen die Leute, zurecht, "Anonymisierungen", sie wollen mit ihrem guten Namen bürgen für das, was sie schreiben. Nur persönlich verantwortete Stellungnahmen von Kunden gehen wirklich in die Tiefe. Wir dürfen nicht Zwangsneurosen wie die des "abgeschotteten" Xing-Kreises auf die Kunden übertragen.

4.
Die Umfrage darf in den Formulierungen keine expliziten F r a g e n l i s t e n enthalten. Man schildert z.B. mit knappen Worten typische Situationen, Sachverhalte, Ereignisse und bittet den Kunden, dazu dann Stellung zu nehmen.

Die Grundidee einer solchen Umfrage ist richtig, auf die Ergebnisse wäre ich sehr gespannt. Aber Redakteur Biester sollte so vorgehen, daß er diese Aufgabe mit halbwegs der gleichen Sorgfalt überdenkt und verwirklicht, wie er das mit Schickimicki-Messen in Abu Dhabi und Hongkong tut oder mit Handschriftenausstellungen in München.

Zumal das Ergebnis der Umfrage diesmal auch Edelantiquare interessieren kann...


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