Absatzförderung und Arbeitstechnik im Altbuchhandel, einer werten Kollegenschaft auseinandergesetzt von Peter Mulzer
Dienstag, 30. April 2013
Echte, verfälschte und kopierte Holzstiche - eine Klarstellung
Holzstiche kennt nicht nur der Liebhaber älterer Bücher. Wer sich um Heimat- und Ortskunde, um Firmen-, Technik- oder Wissenschaftsgeschichte bemüht, stößt immer wieder auf diese besondere Reproduktionstechnik. Manch einen packt es dann, er fängt an, sich in die unendlich mühsam hergestellten Kunstobjekte zu verlieben, sie zu sammeln. Holzstiche haben ihren eigenen Reiz, sie sind - von einigen Übergängen um 1900 abgesehen - ganz unverwechselbar.
Nach zwei Jahrzehnten der Flaute - dem allgemeinen Preisverfall bei Graphik geschuldet - beginnt nun wieder eine bescheidene Konjunktur der Holzstiche. Sie erreichen wieder das Preisniveau, das sie um 1990 schon einmal innegehabt hatten, mit dem wichtigen Unterschied, daß die Quellenblätter seither viel seltener geworden sind und der Nachschub an alten Illustrierten und anderen Holzstichwerken knapp wird.
Denn Holzstiche kommen fast nur in den illustrierten Wochenzeitungen etwa zwischen 1850 und 1905 vor, von den großen Lexikonreihen und bestimmten gut bebilderten Monographien abgesehen. Einige Jahrgänge der "Gartenlaube" freilich oder das spätere "Über Land und Meer" sind, auch über Ebay, noch preiswert zu erwerben, aber jenseits der bekannteren Blätter wird der Nachschub knapp, der Markt verengt sich. Dem Sammler kann das nur Recht sein, denn so werden seine gekauften Blätter jetzt seltener, sie behalten ihren Wert.
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Soviel zur Marktlage. Was die Bereitstellung, das Anbieten der Holzstiche angeht, mag ich hier nicht zuviel aus der Schule plaudern. Es gibt im Vorfeld, also schon vor der Einstellung in die eigene Webseite, zu ZVAB- Abebooks und/ oder in den Ebay-Shop eine Reihe kleiner Berufsgeheimnisse - es hat seinen guten Grund, daß größere Holzstichsortimente nur von einer Handvoll Firmen angeboten werden. Ich werde ab sofort auch dazu gehören, nach langer Vorbereitungszeit.
Der Entschluß dazu ist nicht einfach. Neben dem Sammeln der Illustriertenbände, bei mir eine Arbeit von gut zwanzig Jahren, ist es vor allem der Aufwand an Arbeitszeit, der Sorgen bereitet. Anfänger kommen zu fürchterlich schlechten Zeitwerten, sie können, gemessen an den bescheidenen Absatzprozenten, nie zu einem befriedigenden Stundenlohn gelangen. Man muß schon sehr systematisch arbeiten und eiserne Ordnung halten, um auf diesem zähen, mühsamen Feld sein Auskommen zu finden. Der Laie mag es nicht glauben, aber dreiviertel des Reinertrags geht zu Lasten der Arbeitszeit, der Erwerb der Quellenblätter ist das sekundäre Problem.
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Im Bereich der Holzstiche wiederholt sich seit Neuestem ein Problem, das den Briefmarken-Markt vor vierzig Jahren erschüttert - und in der Folge fast zerstört hatte: N a c h d r u c k e und V e r f ä l s c h u n g e n.
Es scheint mir, daß die damit befaßten Kollegen sich E b a y als idealen Tummelplatz für solche düsteren Methoden ausgewählt haben. Während Ebay durch kleine, aber hochwirksame Zusatzmodule im Briefmarkenbereich inzwischen für einige Ordnung gesorgt hat - ich meine die Zwangsrubriken "echt" usw., die in jedem Einzelfall bestätigt werden müssen -, liegt bei den Holzstichen noch alles im Argen.
Soweit ich sehe, sind es zwei bedeutende Kollegen, die "Kopien", "Neudrucke" oder ähnlich benannte fotomechanische oder photoelektrische Holzstich-N a c h d r u c k e anbieten. Während sie, mit dem nötigen blumigen Schmus garniert, in den Angebotstexten immerhin klar zugeben, daß es sich um Kopien handelt, feiert die Täuschung in den Überschriften fröhliche Urständ: Das Wort "Original" wird teilweise in der Artikelüberschrift benutzt, wohl wissend, daß der getäuschte Holzstichkunde dann z u n ä c h s t annehmen muß, es handle sich um e c h t e Holzstiche und den Artikel daraufhin anklickt. Weil Google, das ist wichtig, ebendiese Ebay-Überschriften unverändert und prominent übernimmt, wird die anfängliche Täuschung in ihrer Wirkung auf den Kunden vervielfacht.
Man mag nun über das Anbieten von Kopien denken, wie man will. Ich halte es für falsch und, vom Standpunkt des Sammlers aus, für ein wenig unmoralisch. Will man es aber trotzdem tun, dann muß in der Überschriftenzeile das Wort "Kopie" oder "Neudruck" erscheinen. Wenigstens aber darf das Wort "Original" dort nicht hineingemogelt werden, unter welchem Vorwand auch immer.
Ebenso bedenklich und schädlich für das schöne Sammelgebiet ist jene Verschönerung, in Wahrheit aus der Sicht des Sammlers jene V e r f ä l s c h u n g der Holzschnitte durch Kolorierung. Es gibt eine ganz verschwindend kleine Zahl im Druck kolorierter Holzstiche, meist 1895-1905, die jeder Kenner schnell aufgezählt hat; ferner ganz wenige Holzstichwerke, die ankoloriert wurden. Das sind nicht einmal 1 % der Holzstiche insgesamt.
Mit wenigen Ausnahmen sind aber sonst alle als "koloriert" bei Ebay offerierten Holzstiche in neuester Zeit n a c h koloriert, je nach Gusto läßt man das in China, in Rumänien oder vom künstlerisch begabten Neffen durchführen, mit etwas Geschick kommt man unter einem Euro zum Ziel. Die Farben sind entsprechend schrecklich. Aber auch wenn sie schön wären: Für den Sammler ist der kolorierte Holzstich vollkommen wertlos; Weiterverkäufe sind später einmal nur an "Dumme" oder gar nicht möglich.
Ich sprach oben von einer verhängnisvollen Parallele zum Briefmarkenmarkt. Dort waren es zwei gut angesehene große Firmen, eine in München, die andere in Braunschweig, die ohne jeden Anstand und völlig unschuldig-naiv ganze Markenalben als "Facsimile" herstellten oder sie von minderwertigen Falzmarken zu richtig vollgummierten Prachstücken "bearbeiteten" - China war übrigens damals schon unter den Fabrikanten. Die Dinge wiederholen sich.
Aus Ärger über die traumatischen Erlebnisse beim Wiederverkauf und Tausch sprangen viele Briefmarkensammler in der Folge von ihrem Hobby ab und bis heute lebt ein Heer halbverzweifelter Prüfer vom Erkennen und Signieren solcher Massenfälschungen und -verfälschungen.
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Gottseidank ist beides, die Nachkolorierung und die Ganzkopie, weitaus leichter zu erkennen. Dennoch ist die Täuschungsgefahr für Laien groß und ich fordere Ebay hierdurch auf, zusätzlich zum Verbot einer Irreführung in der Hauptüberschrift eine Zwangskennzeichnung bei Holzstichen einzuführen, indem entweder "echt" oder "Nachdruck" einerseits und "nachkoloriert" andererseits angekreuzt werden m u ß.
So kommt wieder Klarheit in das schöne Sammelgebiet.
Peter Mulzer aka "alteskrokodil"
Diesen Beitrag schrieb ich heute als Ratgeber-Text für das Ebay-System. Wegen seiner grundsätzlichen Bedeutung für den kleinen Holzstichmarkt setze ich ihn in Kopie hierher. Das Thema wird uns weiterhin beschäftigen, da hier ein (wenn auch vergleichsweise unbedeutender) Handelszweig im Antiquariat unbedingt geregelt werden muß. Ich hoffe, daß das ohne die von mir bestgehaßten Abmahnungen zu machen sein wird - an meiner Bereitschaft, darauf zu verzichten, solls nicht fehlen. Die Ereignisse im Briefmarkenbereich 1960-1980 - von mir unmittelbar miterlebt - sind als Menetekel an der Wand zu lesen: Was geschieht, wenn ein Sammlermarkt fahrlässig zerstört wird... Inzwischen betrifft das Kolorierungsproblem auch ZVAB, Abebooks usw. - aber Ebay ist da federführend.
Hoffen wir das Beste!