Freitag, 12. Februar 2010

Im Kabuff


Guten Abend,

aus gegebenem Anlaß darf ich feststellen, daß es nicht meine Art ist, anonym oder pseudonym Beiträge oder Antworten zu verfassen. Ich habe solches immer nur dann getan, wenn aus den vorhergegangenen Umständen jedem Leser klar sein konnte, mit einem Augenzwinkern: Klar, dahinter steckt der Mulzer.

Das gilt besonders für zwei Foren bzw. Dienste, aus denen ich - soweit mein Wissen auf der Höhe der Zeit ist - herausgeworfen worden bin: Aus der Xing-Gruppe, weil der Verantwortliche, immer nach meiner persönlichen Einschätzung, nicht mehr ganz nüchtern war, wenn ich es so zart andeuten darf - - aus dem Börsenblatt, weil die Zwistigkeiten mit dem niederrheinischen Vorbild und Leuchtstern unserer Branche tatsächlich ein unerträgliches Maß erreicht hatten.

Solang ich von diesem Zustand ausgehen muß, bleibe ich dann auch draußen. Ich mogle mich nicht (wie man z.B. aufgrund der letzten beiden Postings des Börsenblatts vermuten könnte) unter Vorwänden in Medien ein, die mich lieber vor der Tür sehen als in ihren heiligen Hallen. Und ebenso wie ein hochangesehener Berliner Kollege lehne auch ich es grundsätzlich ab, von den Beiträgen eines vor der Öffentlichkeit sorgsam geheimgehaltenen Forums Kenntnis zu nehmen, selbst dann nicht, wenn sie mir (was mehrfach geschehen ist) von dritter Seite zur Verfügung gestellt werden.

Da ich an einer Webseite bastle, die sich an die Kunden des Antiquariats, am Rande auch an die Antiquare selbst wendet, setze ich den Blog einstweilen nicht fort, hätte also durchaus Zeit und auch Anlaß, munter zu diskutieren, über meine eigenen Arbeiten und die Sorgen der werten Kollegen.

Aber dann muß man mir das freistellen. Vorderhand sitze ich, zur Freude der meisten Kollegen, im Kabuff.

(Professor Unrat mal wieder lesen...)

Montag, 1. Februar 2010

Weinbrenners Xing-Gruppe: Ein notwendiger Untergang?

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http://www.boersenblatt.net/355940/template/b4_tpl_antiquariat/



Nun ist sie also vorbei, die Herrlichkeit. Ich hatte dem Unternehmen von Herrn Weinbrenner - als Kollegen kann ich ihn nicht so recht bezeichnen - von Anfang an nicht getraut. nicht etwa, weil Weinbrenner aus der Apothekenwerbung kam, oder so ähnlich, auch nicht wegen der geradezu erschütternden Naivität seiner ersten Titelaufnahmen. Geld verdienen darf und soll man, auch über die düsteren Umwege, die XING eröffnet, ein Kommunikationssystem, dem vor einigen Monaten endlich der institutionalisierte Klau des Verwendungsrechtes a l l e r dort veröffentlichten Texte gerichtlich untersagt worden ist, wenn ich mich nicht irre.

Nein, auch nicht jener cholerische Wesenszug, der das mitmenschliche Verhalten Weinbrenners trüben mußte, weil er eben nicht mit der liebenswürdigen, ausgleichenden Freundlichkeit aufwarten konnte, die impulsive Schreiber sonst auszeichnet - er war wirklich harsch und ungnädig.

Auch das darf man sein, aber man sollte dann nicht auf die Idee kommen, ein Forum zu leiten.

Schwerer wiegt für mich, daß Weinbrenner, der seine Xing-Gruppe durchaus offen zugänglich hätte einrichten können, auf den scheußlichen, ganz verfehlten Holzweg geraten war, die Gesprächsrunde zu sekretieren, sie "geheim" einzurichten, Google außenvorzulassen. Eingeschriebene Mitgliedschaften in Ehren, das erleichtert die (sehr aufwendige) Moderatorentätigkeit und ist nicht zu verwerfen. Was aber des Teufels ist: Man darf Gruppen, die dem allgemeinen Fortschritt einer ganzen Branche dienen sollen, nicht von der Öffentlichkeit total abschotten wollen.

Über Mechanismen, zu denen viel zu sagen wäre, läuft dann ein Abwürgemechanismus, ein Austrocknen der Diskussion - und auch die Hochzüchtung innerer, interner Konflikte, denen die Öffentlichkeit als natürliches Regulativ ganz fehlt.

Dazu kommt die besondere Struktur unserer Berufsgruppe. Bei bestimmten Komplizierungen, bei einer "Übermoderation", bei Überkontrolle und paranoider Verheimlichung bleibt in unseren Berufsforen immer nur ein ganz kleiner aktiver Kern, der mitdiskutiert, als Prototyp würde ich den geschätzten Kollegen Kretzer benennen wollen. Das ist an sich schön, und alle lesen sowas gern, aber die aktive Mitarbeit der anderen erlahmt, wenn nicht Transparenz, Demokratie, Offenheit und, vor allem Öffentlichkeit g e w a g t wird.

Da man von mir offene Worte erwartet, halte ich auch nicht hinterm Berg mit meiner persönlichen Einschätzung: Herrn Weinbrenners Projekte waren mir nie ganz koscher vorgekommen; man sollte versuchen, ein berufliches Forum möglichst nicht mit pekuniären Interessen zu verknüpfen.

Die unkommentierte Meldung heute im Börsenblatt ist, die Kritik sei gestattet, in dieser Form äußerst mager. So brisante Themen derart schäbig und knapp abzuhandeln, erinnert mich an die Deutschaufsätze gewisser Mitschuüler, die - mit Recht - trotz gutem Stil nie über ein "ausreichend" hinausgekommen sind. Redakteur Biester sollte vermeiden, daß sich die interessanten Sätze schließlich ganz in die Kommentare verlagern.

Dem "Antiquariats-Anzeiger" von Stormchen, freundlichen Andenkens, habe ich eine kleine Träne nachgeweint. Weinbrenners Xing-Zwangsanstalt dagegen hat ihr Ende verdient. So geht das nicht.

Wie aber dann? Darüber wird nachzudenken sein.


Nachtrag:
(Zitat aus der Feder von bookmarathon im Börsenblatt:) "Für mich habe ich erkannt, dass Gruppen usw. völlig sinnlos sind. Letztendlich entscheidet das Geschick jedes Einzelnen über wirtschaftlichen Erfolg oder Untergang. Informationen gibt genug im Netzt, dafür braucht kein Mensch mehr irgendeinen Antiquar seine "Geheimnisse" zu entlocken." (Ende Zitat)

Solang, unwidersprochen, im Kommentateil des Bösenblatts derartiger Unfug, so blödsinniger Schwachsinn geäußert werden kann, ohne daß Kollegen energisch widersprechen, bedarf unsere Branche der Aufklärung und Gruppenbildung mehr denn je.


Das Foto gehört "Titanic Adventure Slide". Wird auf einfache Anforderung hin entfernt.

Vom Elend unserer Edeltitelbeschreibungen, Klappe 001


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1.
Die Grundgesetze, Schwächen und Reformmöglichkeiten im unteren und mittleren Antiquariat könnten auch von außen, durch Laien, denen das alte Buch eher fern steht, untersucht werden.

Weil ich mittelfristig auf massive Unterstützung meiner Thesen durch die Volks- und Betriebswirtschaft rechne (auch durch die Buch- und Bildungsforschung übrigens), lag es für mich nahe, den Antiquariatsmarkt in den letzten Blogs von unten her aufzurollen und nicht mit den Edelkollegen zu beginnen.

Zwar dürfte der wirklich getätigte wertmäßige Umsatz an Altbüchern der Unter- und Mittelklasse nur bei etwa 50-60 % des Gesamtumsatzes im Antiquariat liegen, aber die ganz unglaubliche Menge an praktisch unverkäuflichen älteren Titeln, die jedem Kollegen im Nacken sitzt, die teils verhehlte, verschwiegene und umgefälschte, in anderen Branchen so niemals mögliche Absatzblockierung ließ es sinnvoll erscheinen, die Oberklasse der Altbücher erst einmal links liegen zu lassen.

Wir haben ja auch in den letzten Tagen hier gesehen, wie einfach und einleuchtend Reformen im Unter- und Mittelbereich unserer Altbücher im Internetabsatz durchgeführt werden können. Die Gründe liegen zu Tage, jeder kennt sie "eigentlich", aber niemand kommt auf die Idee, sie anzusprechen - und in der Konsequenz dann auch umzusetzen.

Ich gestehe, daß es noch einen anderen Grund gibt für mich, eher zögerlich an Reformüberlegungen zur Edelware heranzugehen.

- Während (vermeintlich oder tatsächlich) an gewöhnlichen Titeln oder gar Konvoluten nur spärlich Geld zu verdienen ist, stürzt sich bei allem, was mit Edelware zusammenhängt, ein gieriger Schwarm von Geiern auf jede Idee, die man äußert, und setzt sie flugs um. Es macht Spaß, im unteren und mittleren Feld durch Reformüberlegungen zu helfen - dagegen ist es ein widerliches Geschäft, gewinngeilen Internetunternehmern auch noch gratis Ideen zu liefern.

- Noch schwerer wiegt aber, in welchem verheerenden Ausmaß das Elend, die Katastrophe unserer Titelaufnahmen oder präziser Titelbeschreibungen bei unserer Edelware deutlich wird. Im Bereich der Spitzentitel müssen wir in Zukunft ganz andere - o Unwort vom Niederrhein - "Qualitätskriterien" einfordern als bei gewöhnlichen Titeln. Hier gestattet die Gewinnmarge einen vernünftigen Zeitaufwand, hier haben wir es in der Regel mit hochqualifizierter Kundschaft zu tun, hier lohnt es sich auch geistig-kulturell für den ermittelnden Antiquar selbst, Autor, Thema, Druckausführung, Rezeptionsgeschichte usw. kennenzulernen und darzustellen.

Jener fürchterliche Bleiwüstenunfug, jenes Monument der Verhältnisblödsinnigkeit unserer führenden Edelantiquare, jenes archaisches Untier zur Verjagung und Verhinderung neuer Kundenschichten im besseren Antiquariat, jener Quack-Sammelkatalog also unseligen Angedenkens, führt uns das ganze Elend, die Verkommenheit, das M i ß v e r s t ä n d n i s unserer Titelbeschreibung im gehobenen Sektor vor.

Da mir die Zeit fehlt und, ich sagte es schon, auch die rechte Lust, anhand von Beispielen und methodisch hergeleitet dieses Thema jetzt schon zu beackern, darf ich es im Folgenden allgemein sagen, als Denkanstoß.

Wir passen unsere Edeltitel-Beschreibungen nicht den Recherchemitteln des Internets an. Anders als noch vor zehn Jahren ist es heute mit einiger Übung möglich, so gut wie jeden wichtigeren Namen, jede Idee, jede Neuerung im geistig-kulturellen, im technischen, im kirchlichen, jurstischen, im Verlags- und Druckwesen usw.

*sekundenschnell zu ermitteln,

oft auch in Kurzform direkt zu übernehmen. Das ist zuerst einmal, wie ich angesichts der üblichen philosophischen Verstiegenheit unserer Edelkollegen mit Vergnügen feststelle, schlicht und ergreifend eine Frage der reinen

*Arbeitstechnik.

Kein Platz also für gehaltvolles philosophisches Geraune. A r b e i t s t e c h n i k !

Dann natürlich auch eine Frage der geistigen Reife und des immensen Sachwissens in Zusammenhängen, das der Edelantiquar haben muß, das er zwingend braucht, sonst wirds nichts. Dieser Satz gilt auch dann, wenn wir in gewissem Maß "türken" können mit den heutigen Netzmitteln, so tun als ob wir den großen Durchblick haben würden.

Die Umsetzung der modernen Recherchemöglichkeiten hinein in die Titelbeschreibungen, jetzt besser: Titeleinschätzung, Titelbewertung ("Wert" in tieferem Sinn), darum geht es im Kern.

Sie wird überhaupt nicht beherrscht. Mein Zorn gegen die Nachbeter der alten Wendt-Tradition, überhaupt mein E k e l vor jener Mischung aus Verblasenheit, Dünkel, Borniertheit und - Dummheit, die manche Titeleinbeschreibungen im Spitzenbereich auszeichnet, ist ganz spontaner Natur. Ich kann dann einfach nicht weiterlesen, das ist mitunter unerträglich in jeder Hinsicht.

Zu beheben ist dies, ich sags ein drittes Mal, vorwiegend durch den geschickten, planmäßigen Einsatz der neuen Netzrecherchemöglichkeiten. Durch neue Arbeitstechnik und ihre Umsetzung auch graphisch.

Notwendig ist die Diskussion, Verabschiedung und allgemeine Einführung n e u e r Prinzipien in der gehobenen Titelaufnahme und Titeleinschätzung. Wie es nicht gemacht werden darf, formal-graphisch und formal-taktisch, können wir nirgends besser sehen als im Quack-Erlemannschen Gebilde.

N e u e formale Titelbeschreibung (siehe übrigens auch die zwingend zu fordernde Fotostrecke für jeden Edeltitel), n e u e Ermittlung des kulturellen, drucktechnischen, graphischen Werts, weitere n e u e Wertkriterien. Ob sich damit neue Käuferschichten erreichen lassen, wie durch unsere anstehende Generalreform im Unter- und Mittelfeld, das bezweifle ich.

Aber wäre es nicht schon ein Gewinn, wenn die unsägliche Qual, die das Lesen der meisten Edelkataloge von heute bereitet, ein Ende findet, wenn Antiquar und Bücherliebhaber sich auf moderner, neuer, entspannter Grundlage begegnen?

Nachschrift 1)

Schon wegen der Fotostrecke für jeden Titel (3-4 exzellente Scans, vergrößerungsfähig) kann es Kataloge in Zukunft nur noch in engster Kombination mit zugehöriger Webseite geben. W i e die Verzahnung von Katalog mit zugehöriger Webseite aussehen muß, damit sie praktisch nutzbar wird, darin liegt eines der Geheimnisse, denen wir uns in Zukunft widmen sollten.

Schludrige Umsetzung nach System w+h (o buchhai, o) wird hier mehr schaden als nützen.

Nachschrift 2)
In Zukunft müssen wir mit Verlinkungen aus der Titelaufnahme heraus arbeiten (in/ aus den Kommentaren sowieso). Wir markieren also Wiki-, NDB-, BBKL- und andere Fundstellen farblich als Links auch dann, wenn sie Titelbestandteil sind. Das darf der Kunde erwarten (auch wenn ers selber ergooglen könnte). Schon mit diesem einen, zugegebenermaßen bescheidenen, Mittel würde unsere verstaubte Titelerfassung im Edelbereich revolutioniert. Wobei auch das Linksetzen gekonnt und sinnvoll geschehen muß, auch farblich und technisch alles stimmen muß dabei (o Buchhai, o).

Für das Edel-Käsefoto danken wir blogtasteofcheese, denen das Bild gehört. Wird auf formlose Anforderung hin entfernt.