Dienstag, 13. Oktober 2009

RF Meyer: Nicht Datenhoheit, sondern Monopolfreiheit !




http://meyerbuch.wordpress.com/2009/10/12/datenhoheit/

Lieber Kollege Meyer,

daß ausgerechnet Sie, als Gründervater der einzigen innovativen Idee zur Zusammenarbeit der Antiquare in den letzten Jahren, das Hohelied der Datenhoheit singen, das der einzelne Kollege hochzuhalten und wertzuschätzen habe - das ist, mit Verlaub, absurd.

Ich setze das aufs Konto jener Verirrungen, die uns alle gelegentlich ereilen, und als Spezialist für meine eigenen Holzwege im Denken und Handeln habe ich volles Verständnis dafür. Da ist es dann ganz gut, wenn andere Zeitgenossen kommen und heilsame Tritte, man weiß schon wohin, austeilen. Hoppla - wir sind wieder wach, danke!

Wer unsere Bücher verkauft, welche Datenbank, welcher Sammelkatalog, welcher "Besorgungsdienst für antiquarische Bücher" (gibts das noch? In den USA durchaus), das kann uns, auf den ersten Blick zumindest, egal sein, sofern die Gebühren erträglich, die Konditionen vernünftig sind. Und auf den zweiten Blick?

In Internetzeiten ist die *Imagefrage nicht so wichtig. Natürlich gibt es Kotz-Datenbanken, ich habe die schrecklichsten Portale ja unlängst aufgelistet. Aber schadet es dem Ruf des Kollegen, wenn er dort in grauslichen Blutfarben, von aufdringlichen, dummen Sprüchen gegängelt und in törichten Hilfeseiten verdummt, auch seine Titel verzeichnet? Ich glaube nicht. Wenn ein Antiquar ein Image herstellen will, dann kann er das heute über seine eigene Webpage tun. Hat er den Kunden erst einmal dorthin gelockt, dann mag er sein Image pflegen, durch Kataloge und kluge Begleitsätze beeindrucken. Wie schwer das ist, sahen wir bei den Ansätzen zum Kollegen-Webseitentest (den ich nach den ersten Bombendrohungen ja eingestellt hatte).

Also übergeben wir unsere Titel, vom Image her, auch dem Teufel, wenn er denn anträte als Portalchef? ich denke: Ja (unsere Theologen natürlich ausgenommen). Aber da gibt es einen anderen, weit wichtigeren Gesichtspunkt, nämlich das *Machtmittel, das wir der Datenbank in die Hand geben. Nicht so sehr durch die Auflistung unseres Antiquariats als eines, das auch teilnimmt in dem oder jenem Portal, sondern durch das kaufmännische Potential am Altbuchmarkt. Das Buchportal erhält durch unsere Titelübergabe ein Stück Macht, eine Verfügungsgewalt.

Das ist ein kompliziertes Kapitel. Man kann sich, wie jener unglückliche Leander, mit Chuzpe hineinmogeln in einen Markt, ohne daran wirklich teilzunehmen, einfach durch Manipulation und Dummenfang.

Man kann einen Markt auch publizistisch "bedienen", was aber auch nicht ohne Risiken abläuft, wovon Casimir und Biester ein Liedlein singen können.

Oder aber, und nun sind wir wieder beim Thema, man agiert als Verkaufsmaschine, als Dienstleister im engeren Sinn. Auch Metainstrumente sind da denkbar, bei Eurobuch klappts nicht so gut, bookfinder dagegen zeigt, daß das lukrativ und perfekt zu machen ist. - Und die konventionellen Verkaufsportale?

Da stellt sich nun zunächst die *Monopolfrage. Über die haben wir zu oft diskutiert, als daß ich näher darauf eingehen müßte. Wir verleihen der mächtigsten Datenbank natürlich mit jedem dort neu angemeldeten Titel weitere Monopolmacht; können aber fast nicht anders, weil der Monopolist den immer besseren Absatz hat, haben muß, das ist ja der teuflische Automatismus.

Wenn es also einen Punkt gibt, der bei Ihrem Thema der "Datenhoheit" wichtig ist, dann ist es - in unserem abgeschotteten deutschsprachigen Altbuchmarkt - der Boykott des ZVAB. N u r und nur und nur dieser Punkt ist wichtig. Sie bringen es fertig, sicher unbeabsichtigt wieder einmal die große Vernebelungsmaschine anzuwerfen, indem Sie uns Themen zu diskutieren geben, die N e b e n wege sind. Nur das ZVAB ist für uns hier und heute wichtig.

Dabei spielen w+h Wiesler an sich keine entscheidende Rolle. Ich sage "an sich" und muß das erklären. Ihre Dienstleistungen sind pfiffig, nützlich und, sieht man von etwas dubiosen "Modulen" ab, auch ihr Geld wert. Nach wie vor ärgere ich mich freilich krank über die Verlogenheit, die dahinter steckt, daß w+h nicht offenlegt, inwieweit sie von den Portalen Vermittlungsgeld bekommt, also doppelt verdient.

Dagegen ist entscheidend ihre Rolle als Dienstleister, wenn es uns um den Kampf gegen das ZVAB, gegen das Monopol, um unsere Freiheit im Markt geht. Denn nur durch neue Dienstleistungen können wir den Kampf aufnehmen. Es geht da um Dinge wie aktive und passive Katalogisierung, um Zusammenarbeit mit Google usw. Näheres dazu an dieser Stelle bald. - Wir können unser neues Portal nur dann erreichen, wenn wir Dienstleistungen damit verbinden, die das ZVAB nicht anbietet.

Zurück zur "Datenhoheit". Ich brings auf den Punkt: Wir können unsere "Datenhoheit" gleich auf den Misthaufen kippen, w e n n es uns nicht gelingt, Datenbank-Monopolfreiheit zu erlangen.

Nicht um H o h e i t geht es, sondern um F r e i h e i t.

Das sind nicht nur Redensarten. Ich halte es schlicht und ergreifend für absurd, wenn wir uns über edle, subtile Feinheiten wie Datenhoheit Gedanken machen, solang über uns die beiden Damoklesschwerter ZVAB und Amazon=Abebooks hängen.

Zu einem war der Portaltest allerdings gut - ich bin geheilt von meinem Liebäugeln mit einer Neubelebung von Prolibri. Schlechte Portale soll man nicht noch aufpäppeln. Die müssen auch mal sterben dürfen.